19. August 2018
Natürliches vs. künstliches Netzwerk
Seit das Übersetzungstool Deepl 2017 online gegangen ist, hat es vielen die alltägliche Arbeit erleichtert und auch für einige Lacher gesorgt – mit oder ohne Champagner.
Mein Schreibtisch würde auch vibrieren, wenn ich bei der Arbeit einen «Chlöpfmoscht» trinken würde.
Übersetzungsprogramme
Deepl schlägt in der Praxis die Übersetzungsprogramme von Google und Microsoft um Längen, da Deepl ganze Sätze im Kontext übersetzt und nicht einzelne Wörter. Dabei greift die in Köln gegründete Firma auf ihre Datenbankschätze zurück: Mit ihrem Tool Linguee hat die Techfirma eine Milliarde übersetzte Sätze gesammelt und geprüft. Diese dienen als Basis für das «Training» des künstlichen neuronalen Netzwerks von Deepl.
Der Supercomputer von Deepl kann dank dieser Basis und seinen 5,1 petaFLOPS Kapazität in unter einer Sekunde eine Million Wörter übersetzen.
Neu kann Deepl auch ganze Dokumente übersetzen wie z.B. Diplomarbeiten. Beim Übersetzen des Dokuments gehen weder Fussnoten noch Bilder verloren – wahrscheinlich aber die eine oder andere Feinheit oder die Bedeutung von zusammengesetzten Wörtern. An dieser Spezialität der deutschen Sprache scheitert Deepl immer wieder.
Wie aus einer Spinatwähe ein Rotkehlchen mit Spinat wird.
Den Post von Deepl zur Übersetzung von ganzen Dokumenten finden Sie hier: https://www.deepl.com/blog/20180716.html
Natürlich oder künstlich?
Im täglichen Härtetest zeigt sich, dass die Menschen mit ihren natürlichen neuronalen Netzwerken noch lange nicht überflüssig sind bei der Textübersetzung. Die Feinheiten eines Texts, spezielle Redewendugnen, Anspielungen, Ironie oder Zynismus begreift ein Übersetzer aus Fleisch und Blut, ein künstliches neuronales Netzwerk stuft diese meist falsch ein und erfasst den wirklichen Sinn nicht.
Wie künstliche Intelligenz (KI) generell arbeitet, hängt vom Input ab – und den geben die Menschen. Die Menschen, die ein KI-Programm füttern, vermitteln anhand der Texte und Bilder, die sie verwenden, ihr Werturteil. Algorithmen und KI filtern eher Stereotype aus den Daten heraus. Das führt zu genauso wertenden Urteilen und Entscheiden wie bei den Menschen. Zudem wissen wir nicht, wie die Schlüsse entstehen, die neuronale Netzwerke ziehen: Wir sehen nicht in ihren «Kopf», genauso wenig wie wir in die Köpfe der Menschen sehen können.
Daher ist der wichtigste Schritt nach einer Übersetzung mit Deepl, die Interpretation und Kontrolle des Ergebnisses. Ohne ein Grundwissen in der Zielsprache klappt es also nicht. Sonst gehen einem eventuell Fehlübersetzungen durch die Lappen, die beim Empfänger im besten Fall Heiterkeit
auslösen.
Die digitale Verwandlung von Wein in ein Drop-down-Menü.
Wie anwenden?
Nach meiner Erfahrung und Umfragen in meinem Umfeld ist Deepl im Alltag eine gute Hilfe, wenn man eine Übersetzung prüfen möchte, eine Textstelle nicht versteht oder Varianten testen will. Sehr praktisch ist das Tool, um normale, nicht kritische E-Mails zu übersetzen, wenns schnell gehen muss. Es ist auch nützlich, wenn man die Zielsprachen nicht perfekt beherrscht, aber ein E-Mail zum Beispiel dreisprachig versenden muss.
Datenschutz
Ob der Gratisübersetzungsdienst unsere Texte wirklich nicht speichert, wie die Deepl-Verantwortlichen beteuern, das sei dahingestellt.
Was ist KNN?
Künstliche neuronale Netzwerke einfach erklärt in Deutsch auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=o3RDCSJH2oo
Die Playlist der TED Talks zu Artificial Intelligence und Machine Learning:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLykryKRiaaUzoDrZ-XYO11kkyuZZNdrtg
Und wie stehts mit uns Menschen und der Moral?
> TED Talk: Machine intelligence makes human morals more important, Zeynep Tufekci
Wie funktioniert bei Chat Bots die Textklassifikation mit einem künstlichen neuronalen Netzwerk?
> Text Classification using Neural Networks
Bildquellen: